Sie sind hier
Irgendjemand macht hier richtig viel Geld
Bei Nacht und Nebel überqueren wir die Grenze nach Peru. Die letzten Wochen in Kolumbien und Ecuador haben uns so begeistert und richtig heiß gemacht, auf die Landschaften, Städte und Menschen, die uns in Peru erwarten werden. Man könnte es so formulieren: Wir warten noch immer auf den „Peru-wow“-Effekt.
Fairerweise muss man sagen, dass unsere Erwartungen sehr hoch waren – obwohl wir uns das auf Reisen eigentlich fast schon verboten haben. Jedes Land soll eine Chance bekommen! Doch Weihnachten und Silvester stehen vor der Tür. Unser letzter Reisemonat bricht an. Wie können die Erwartungen nicht hoch sein?
Als wir im Nachtbus über die Grenze am Morgen das erste Mal blinzelnd die Äuglein aufschlagen, sind wir erst mal von der vorbei ziehenden Landschaft geplättet. Völlige Wüste. Jede Menge heimatloser Müll. Nicht mal vereinsamte Heuballen haben Lust hier herumzukugeln. Prompt hat der Bus einen Platten und wir die Möglichkeit uns diese Dürre etwas genauer anzuschauen. Weit und breit nichts zu erkennen. Nun gut, das ist nach dem fruchtbaren Ecuador zwar etwas überraschend, aber es kann ja nicht überall in Peru so aussehen, oder?
Einige Stunden später erreichen wir unser Ziel Chiclayo. Obwohl wir hier die Erkundung einiger Inkastätten geplant hatten, finden wir den Ort so heruntergekommen und verdörrt, dass wir uns direkt in den nächsten Bus setzten. Heraus kommen wir in Trujillo, ein ganzes Stück weiter im Süden, immer noch in Küstennähe. Immer noch die selbe Wüstenlandschaft. Nun gut, Melanies Quito-Bazillus droht mittlerweile Matthias niederzustrecken, also richten wir uns hier ein. Die Innenstadt stellt sich als wirklich schön heraus. Bunte Häuser, kitschige Weihnachtsdekoration und ein belebtes Stadtgetummel. Jahrtausende älter als die Inka, hat sich außerdem in der Region das Volk der Moche ausgetobt.
Während Matthias sich also seinem Leid hingibt, watschelt Melanie durch alte Tempel in Pyramidenoptik. Nein, die Moche waren keine heimlichen Ägypten-Groupies. Sie hatten die Eigenart, ihre Tempel immer wieder neu zu bauen. Dabei wurde der alte Tempel mitsamt ein paar Menschenopfern zugeschüttet und der neue Tempel einfach oben drauf gesetzt. Daher die Pyramidenform. Bis heute konnte sozusagen erst die Spitze des Eisberges ausgebuddelt werden. Viele weitere Tempel-Etagen liegen weiterhin unter Sand und Stein vergraben. Einen schaurigen Anblick bieten die beinahe felllosen Hunde, die dankenswerter Weise noch heute auf der Anlage gehalten werden. Schon damals existierte diese unansehliche Rasse, deren Körpertemperatur etwas erhöht ist. Für die Moche sozusagen eine lebende Wärmflasche inklusive Spiel, Spaß und Spannung.
Zusammen besuchen wir den Strandort Huanchaco, der als recht beliebtes Urlaubsziel der Peruaner und als guter Surfspot gilt. Einen vergleichbaren Charme, wie in Trujillo suchen wir hier vergeblich. Überteuertes Essen, aneinander geklatschte nackte Bauten und eine überfüllte Promenade. Die urigen Fischerbötchen stehen nur noch zur Dekoration am Strand herum. Hier wird das Geld längst mit den Touristen gemacht, davon verirren sich ja genug hier hin.
Weihachten rückt näher und wir machen uns auf den Weg um die Feiertage in der Hauptstadt Lima zu verbringen. Das beinahe zweistündige staubedingte Gezuckel im Innenstadtbereich gibt uns genug Zeit, ordentlich schockiert zu sein. Bei allem, was wir bisher von Peru gesehen haben, wir haben nicht damit gerechnet, auch in Lima eine zu großen Teilen heruntergekommene Stadt vorzufinden. Logisch, auch hier gibt es schicke Viertel und geschäftige Wolkenkratzer. Außerdem jede Menge beinahe westliche Supermärkte und Kinos – ein Glück, denn wir wollen doch den Hobbit sehen! :-)
Doch „ärmer“ heißt hier offenbar auch gleich eingefallene Häuser, jede Menge Dreck und ein Stadtbild, das uns eher an Bilder aus Afrika erinnern. Wie gesagt, die Erwartungen an Peru waren hoch. Doch es geht nicht in unsere Köpfe hinein, das Peru, mit so vielen beinahe naturgegebenen Einnahmequellen (Weltwunder als Touristenmagneten, natürliche Ressourcen, drei Vegetationen) so viel ärmlicher als das kleine, in sich gekehrte Ecuador wirkt. Oder als das noch immer von Drogen geplagte Kolumbien. Wir denken nicht zum ersten und schon gar nicht zum letzten Mal: Irgendjemand macht hier richtig viel Geld. Die Peruaner die hier leben sind es auf jeden Fall nicht!
Die Weihnachtsfeiertage ziehen an uns vorbei. Wir sprechen viel mit der Familie und wünschen uns durchaus nach Hause. Dort beschwert so mancher sich über Stressbesuche, fehlenden Schnee und das ach so viele Essen. Doch Weihnachten im Kreise seiner Liebsten ist einfach schön. Nie haben wir es so sehr zu schätzen gelernt. Hoffentlich vergessen wir diese Einsicht auch nie! Aber wie sagt man so schön, nach dem Fest ist vor dem Fest. Die nächsten weihnachtlichen Rouladen mit Rotkohl und Raclette sind also greifbar!
Wie wir im Endeffekt den heiligen Abend verbringen? Wir suchen geschlagene zwei Stunden nach einem geöffneten Restaurant und als wir schließlich eines finden, ist es leider überteuert und serviert miese Qualität. Macht nichts. Der Abend hat trotzdem etwas zauberhaftes, denn es ist unser erstes gemeinsames Weihnachten. Ist es nicht vor allem ein Fest der Liebe?
Um Mitternacht, als das alte Ehepaar Matthias und Melanie natürlich längst ins Kissen schnarcht, werden wir von lautem Knallen wach. Ein Feuerwerk. So leitet man in Peru also den ersten Weihnachtsfeiertag ein. Noch nicht ganz ein Neujahrsfeuerwerk, doch vielleicht ja der Startschuss für neue, andere Erfahrungen in Peru. Wir sind gespannt, was für Eindrücke noch so auf uns warten. Wir geben die „wow“-Hoffnung nicht auf!