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Das Beste kommt zum Schluss
Etwa eine Woche bleibt uns noch auf Reisen, aber das Abenteuer ist lange nicht zu Ende. Verrückte Orte haben wir schon so einige gesehen. Doch was sich in Boliviens Anden verbirgt, das haut uns förmlich aus den Socken. Atemberaubende Schönheit, so könnte man es wohl beschreiben.
Wir sind in La Paz angekommen, mittlerweile sogar in einer tollen Unterkunft aka „dem Dusch-Himmel“. Wir werden von La Paz aus nach Hause fliegen. Jedoch sind es bis dahin noch einige Tage Zeit. Zähneklappernd mussten wir bereits feststellen, dass nicht überall auf der Südhalbkugel im europäischen Winter die Sonne ballert. Vor allem in den südamerikanischen Anden ist sogar beinahe das Gegenteil der Fall: jede Menge Regen und frösteliger Wind dominieren die Zeit von Dezember bis Februar. Wie der hiesige Winter aussieht, wollen wir uns in unseren gezwiebelten Schichten Sommerkleidung gar nicht vorstellen! Nachdem wir schon auf dem Weg zu Machu Picchu ordentlich nass wurden und auch auf der Isla del Sol die Wanderschuhe eher im Sitzen, als beim Laufen getragen wurden, fragen wir uns nun, wo der letzte Ausflug hingehen soll.
Tatsächlich hat Bolivien ein absolutes Highlight zu bieten (man verzeihe, dass wir uns hier auf Eines beschränken). Die Salar de Uyuni, eine Salzwüste im Süden des Landes, hat sich schon vor einigen Wochen in unsere Reiseträume geschlichen. Am Ende sind es Kyle und Carmen, die mit ihrer Entschlossenheit, all unsere Zweifel über die doch große Distanz hinwegpusten. So geben wir uns gemeinsam dem Tourismus hin und buchen eine dreitägige Jeep-Tour in der Salar de Uyuni.
Bevor es losgeht bleiben uns noch ein paar Tage in La Paz, dem Regierungssitz Boliviens (der Verfassungssitz liegt im östlich gelegenen Sucre). Das verrückte an dieser Stadt ist, dass sie ähnlich wie Quito in ein Tal gebaut ist, jedoch auf etwa 3700m Höhe (Quito lag auf etwa 2800m). Jede Ecke wird genutzt, jeder Hügel ist bebaut. Man könnte meinen, das Populationsmaximum ist erreicht. Aber nicht mit den Bolivianos! Als es an Platz fehlte und die „wenigen“ Häuser auch noch teurer wurden, begann man eben das Plateau ums Tal herum zu bebauen. Plötzlich hat La Paz endlose Wachstumsmöglichkeiten. In El Alto („der Hohe“) ist es noch mal eine Ecke kühler, doch hier sprießen nun förmlich die Backsteinhäuser aus dem Boden. Es wirkt beinahe wie eine andere Stadt, deutlich „wilder“, deutlich traditioneller, deutlich ärmer.
In einem beeindruckenden Projekt hat La Paz dieses neue Gebiet durch Seilbahnen der Marke Doppelmeyer angeschlossen. Was für uns ein Skilift ist, wird hier zum öffentlichen Transportmittel, das den Einwohnern kilometerweise Serpentinen und tausende Treppenstufen erspart. Heute kann man in etwa 35 Minuten vom tiefsten Stadtteil auf etwa 3100m bis nach El Alto auf rund 4050m fahren. Ein faszinierender Gedanke, dank eines modernen Stadtplanungsgeistes. So ganz nebenbei auch eine tolle Art, die Stadt zu erkunden und auch die Gebiete (von oben) zu sehen, durch die man nicht unbedingt gehen möchte.
Nachdem wir uns in der Seilbahn die Nasen an der Scheibe platt gedrückt haben, ist es schließlich Zeit noch einmal das Po-Plattsitzen im Nachtbus zu zelebrieren. In elf Stunden erreichen wir Uyuni, einen ruhigen, irgendwie netten Ort, angrenzend an die Salzwüste. Von hier startet unsere Jeeptour mit Kyle, Carmen und einem südkoreanischen Pärchen. Letztere sprechen nicht sonderlich viel Englisch, scheinen aber herzensgute Menschen zu sein und überreichen uns nervös eine Packung Fertignudelsuppe als „Mitfahrergeschenk“.
Wie sehr wir uns beim Gaumen-strapazierenden Essen der nächsten Tage doch einen Wasserkocher für die Zubereitung wünschen! Wenn ein Gericht auf über 4000m absolut versalzen schmeckt – wie muss es dann erst am „Boden“ schmecken?! Mit Carmens hong-kong-chinesischer Herkunft haben sie und Kyle ohnehin ein Fabel für die Asiatische Küche und bei all den Koch-Anekdoten die nun durch den Raum geworfen werden, läuft uns allen das Wasser im Mund zusammen.
Doch überhaupt... Wer denkt noch ans Essen, bei den Anblicken, die sich uns während der Tour bieten! Die Salzwüste ist eine Landschaft, wie man sie sich nur in Träumen vorstellen kann. Auf 10.000 km² eine bis zu 1,5m dicke Salzkruste. In der Regenzeit sammelt sich Wasser auf der Oberfläche, bis es verdunstet. So entsteht eine riesige Spiegelfläche. Der Himmer, die Wolken, die umliegenden Berge, alles steht Kopf. Eine schier endlose Fläche. Unglaublich. So wunderschön, so surreal, so etwas haben wir noch nie gesehen. Der ganze Ort wirkt so magisch, wir können nicht aufhören zu lachen, uns immer wieder im Kreis zu drehen, in die Ferne zu blicken und tausende Bilder zu schießen – tatsächlich knipsen wir während der drei Tage beinahe 1000 Bilder, na da gibt es wohl ordentlich Löschpotential!
Nun heißt die Tour zwar „Salar de Uyuni“, doch Bolivien ist noch lange nicht fertig mit uns. Mal irren wir zwischen mondartigen Landschaften umher, mal wärmen wir uns die Hände in Fontänen speiender Geiser, mal stehen wir in einem Hagelschauer und bewerfen uns mit beinahe-Schneebällen. Wer hätte eigentlich gedacht, dass neben Lamas und Alpakas, diese Gegend scheinbar hauptsächlich von Flamingos besiedelt wird?! Dann erreichen wir den Lago Colorado, beobachten wie die Wolkendecke aufbricht und durch die Sonneneinstrahlung das Wasser einen tiefroten Ton annimt. Alles dank eines Algen-Mineralien-Mixes, auf den Bolivien durchaus mal ein Patent einreichen sollte. Am Rande dieses unwirklich gefärbten Sees türmt sich Borax auf. Was aussieht wie ein Minigletscher ist ein wichtiger Wirtschaftszweig für das Land, neben all den anderen Mineralien, die in den Anden verbuddelt sind.
Am Ende fehlen uns einfach die Worte und wir hoffen, dass unsere Bilder nur annährend die Schönheit zeigen können, die wir in Bolivien finden dürfen. Die Tage fliegen dahin. Im Jeep schnattern wir mit Kyle und Carmen fröhlich über Gott und die Welt, am Abend trinken wir chilenischen Wein und fallen schließlich noch vor zehn Uhr erschöpft wie kleine reizüberflutete Kinder unter vierzehn (!!!) Decken ins Bett. Auf über 4000m, zeitweise sogar über 5000m ist es ohne Sonne wirklich bitterkalt.
Viel zu schnell naht das Ende. Am letzten Tag machen wir uns sogar schon um 5:00 Uhr auf den Weg und erreichen um 8:30 Uhr die chilenische Grenze. Hier verabschieden wir uns von Kyle und Carmen, nicht ohne uns vorzunehmen, dass wir sie während ihrer Zeit in Europa wieder treffen werden. Auch die Südkoreaner reisen weiter nach Chile und so sind es nur noch wir zwei, die mit unserem Fahrer „Aqui“ die achtstündige Fahrt zurück nach Uyuni antreten.
Von hier geht am selben Tag noch unser Nachtbus zurück nach La Paz. Der letzte Nachtbus auf unserer Reise und ajajaj – was für eine Fahrt. Schon mal darüber nachgedacht, was passiert, wenn ein Sack Salz in Bolivien umfällt? Ein Stau mitten in der Wüste passiert. Und der hält so lange an, bis man beschließt einfach neben der Straße weiterzufahren, wobei das eine vom anderen ohnehin kaum zu unterscheiden ist. Beinahe fünfzehn Stunden später erreichen wir wieder La Paz. Wir kehren in das selbe Hotel zurück und genießen die heiße Dusche, nachdem wir in den schlotterkalten Anden wieder einmal vier Tage lang darauf verzichtet haben. Und während wir uns so richtig ordentlich einseifen und die Haut sich langsam rot vom himmlisch-warmen Wasser färbt, dämmert es uns. Wir fliegen in zwei Tagen nach Hause. Die Salar de Uyuni war weiß Gott ein krönender Abschluss.