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So hoch. So kalt.
Der Titicacasee. Zeit für eine Runde plantschen – könnte man zumindst denken, wenn es sich dabei nicht um den höchstgelegenen See derartiger Größe handeln würde. Auf etwa 3800m bleibt man besser dick eingemummelt im Bötchen sitzen, während man die peruanischen und bolivianischen Orte rund um den See erkundet.
Ortschaften finden sich so einige um das Ufer des Titicacasees herum. Wer dabei jedoch Bodensee-artige Schnuckel-Städtchen vor Augen hat, der täuscht. Peru zeigt sich mal wieder von seiner bröckelnden, eingefallenen Seite und der Ort Puno kann nun wirklich nicht als Highlight bezeichnet werden. Somit verabschieden wir uns schnell wieder, ohne die artifiziellen „floating Islands“ besucht zu haben, wo ein hiesiges Ureinwohnervolk sozusagen auf schwimmenden Grasmatten lebt – und fernsehen empfängt! Klingt lustig, zieht uns nach dem intensiven Touri-Gefühl bei Machu Picchu aber nicht wirklich an.
Weiter geht es also, hinaus aus Peru und hinein nach Bolivien, ein Land auf das wir uns sehr freuen. Zwar eines der Ärmsten in Südamerika, ist es aber auch eines der weniger touristischen. Etwas unterschätzt zwischen Inka Städten in Peru, Steaks in Argentinien und dem Karneval in Brasilien. Und das obwohl es hier jede Menge zu sehen gibt.
Zuerst einmal wird schon die bolivianische Seite des Titicacas weitaus höher gelobt, als die peruanische. Ein letztes Mal auf dieser Reise überqueren wir also eine Grenze. Sehr komfortabel, denn der Bus begleitet uns und wir müssen nur fürs Stempeln ein und aus steigen. Ein letztes Mal auf dieser Reise stellen wir fest, dass das Geldwechseln in der Regel bis zur Grenze warten kann. Wieder bekommen wir einen überaus fairen Kurs, wie eigentlich bei allen Überquerungen. Großartig im voraus planen und wechseln lohnt da nicht!
Von der Grenze aus sind es schließlich nur noch wenige Kilometer bis nach Copacabana. Nein, hier gibt es keine Reihen in der Sonne bratender Strandfanatiker unter einem Himmel aus bunten Schirmen. Es ist nicht „die“ Copacabana in Brasilien, sondern der Ort Copacabana in Bolivien. Schlotterig kalt, ein Hauch peruanischer Brökel-Optik, dabei jedoch bunter und belebter, scheinbar sogar bis in die letzte Ecke ausgebucht. Denn auch wenn man hier nicht zum Badeurlaub antanzt, platzen die Hostels und Hotels förmlich vor bolivianischen Wochenendtouristen aus dem nahe gelegenen La Paz.
Zum ersten Mal auf dieser Reise erleben wir den Schrecken, eines praktisch ausgebuchten Ortes. In der Regel suchen wir eine Unterkunft vor Ort, denn nur so findet man gute Qualität zu einheimischen (kleinen) Preisen. Nach einer Stunde des Herumlaufens ohne Erfolg beginnt es auch noch zu regnen. Unser Mut sinkt, die Bereitschaft mehr zu zahlen steigt. Wir steuern die feiner aussehenden Hotels an, in der Hoffnung, dass diese nicht ganz so überlaufen sind. Kein Glück. Müssen wir draußen übernachten?
Schließlich kommt die Rettung aus der Schweiz! In einer Hotellobby, die wir gerade hängenden Kopfes wieder verlassen wollen, werden wir von zwei Schweizerinnen angesprochen. Sie haben zwei Betten in ihrem Zimmer und sind bereit, eines an uns abzutreten. Selbst froh, dass sie die teurere „Notunterkunft“ nun durch vier teilen können, sind die beiden für uns wahre Retter! Bei einem gemeinsamen Abendessen jubilieren wir über die Restaurantpreise, die zwar den gleichen Zahlenwert wie in Peru aufweisen, für eine Umrechnung in Dollar jedoch durch sieben (anstatt durch drei in Peru) geteilt werden müssen. Günstig und lecker! Macht nichts, dass der stärker werdende Regen schließlich alle Lichter ausknipst und auch das Internet abschaltet. Froh, dass wir ein Bett haben, sehen wir zu, dass wir schleunigst hineinplumpsen.
Am nächsten Tag sieht die Welt dann schon rosiger aus. Die Wolken brechen auf, die Sonne scheint und wir lassen uns zu einer Runde Kajakfahren auf dem Titicaca hinreißen. Gegen Mittag stoßen Kyle und Carmen wieder zu uns. Gemeinsam machen wir uns mit der Fähre auf zur Isla del Sol – der „Sonneninsel“ im Titicaca. Fröhlich schnatternd, mit einer frischen Briese um die Nase, aber genug Sonnenwärme um auf dem Dach der Fähre zu sitzen, vergehen die 1,5 Stunden Fahrtzeit wie im Fluge.
Am Ende wartet eine Insel, die den Sonnenschein zwar definitiv nicht gepachtet hat, jedoch mit einem hübschen Ausblick auf die sechstausender schneebedeckten Berge um den Titicaca herum lockt. Nur etwa 800 Familien haben sich hier zum Leben niedergelassen und auch der Tourismus hält sich in Grenzen. Mit der unschlagbaren Taktik „Mädels-beim-Gepäck-Jungs-auf -Zimmersuche“ finden wir klasse Zimmer mit hinreißendem Ausblick. Lediglich die Dusche lässt zu wünschen übrig, denn kalt duschen ist hier nun wirklich nicht verlockend. Schon in Copacabana sah es damit schlecht aus, nun werden wir wohl noch eine Weile warten. Ein Gefühl der Abgeschiedenheit hüllt uns in friedliche Reisestimmung. Wir essen Forelle, trinken jede Menge heißen Tee und akzeptieren unser neues Körperaroma. Erklimmen ein, zwei Hügel, aber bloß nicht zu viel, denn während mann über 4000m steigt, fährt die Körperaktivität auf das Niveau eines 70 Jährigen Rauchers mit Herzbeschwerden herunter.
Auf diesem Fleckchen Land erreicht uns die Zusage einer Untermiete für Zürich. Schallernd jubelnd und voller Vorfreude auf eine wirklich schöne Wohnung, fällt uns ein riesen Stein vom Herzen. Die Wohnungssuche aus der Ferne war nicht unbedingt leicht und das Einhalten einer Skype-Wohnungsführung bei wackelnder Internetverbindung durchaus unzumutbar. Doch nun hat es geklappt. Unter Einsatz all unseres Welttronauten-Charmes haben wir uns eine Traumwohnung für sechs Monate gesichert. Alle Sorgen vergessen, Platz für reine Vorfreude auf die Heimkehr und ungestörten Genuss unserer letzten Reisetage.
Wir verlassen die Isla del Sol bei leichtem Nieselregen. Eingedeckt mit köstlichen Keksen und Kuchen einer Bäckerei in Copacabana, setzten wir uns in den nächsten Bus nach La Paz. Zwischenzeitlich getrennt von unserem Bus, während wir den Titicacasee an seiner schmalsten Stelle mit getrennten „Fähren“ aka Floßen überqueren. In Bolivien arbeitet man mancherorts noch an der Moderne. Schließlich erreichen wir Boliviens Regierungssitz und es schüttet wie aus Kübeln. Müde, nass, muffig – wir wollen einfach nur eine nette Unterkunft mit Dusche. Erst einmal muss jedoch ein Kompromiss reichen. Die Unterkunft ist schäbig, die Dusche kalt, aber hey! Es gibt ein Bett und es ist sehr günstig.
In solchen Momenten ist es kaum zu glauben, was wir daheim für einen Luxus erleben. Sei es die Verfügbarkeit und Qualität einer sättigenden Mahlzeit, die Möglichkeit seine Duschtemperatur nach Lust und Schlottergrad zu variieren oder die Gemütlichkeit des eigenen Bettes. Reisen ist nicht immer leicht, schon gar nicht, wenn man ein Budget einhalten will. Schon so einige Male hat uns die reine Tatsache, Reisen zu dürfen, über unangenehme Umstände hinweggetröstet. Heute tut es das Bewusstsein, ein wunderschönes (wenn auch temporäres) Heim in Zürich gefunden zu haben. Bald schon in unsere gemeinsame Wohnung zu ziehen, gemeinsam zu kochen, zu putzen, zu leben. Alles was dazugehört. Wir freuen uns auf zu Hause! Morgen werden wir uns eine bessere Bleibe in La Paz suchen und dann werden wir noch einmal richtig genießen, dass wir die Welt erkunden dürfen. Und duschen!